Mikrowinzer am Obergrombacher Michaelsberg

 

Der Michaelsberg in Untergrombach ist ein beliebtes Ausflugsziel der Bruchsaler Bevölkerung. Der Blick von der am Gipfel stehenden Kapelle über die Rheinebene bis in die Pfalz ist atemberaubend. Wendet man sich von der Rheinebene nach links führt der Bergrücken ins Grombachtal. In der nach Süden ausgerichteten Weinlage Obergrombacher Michaelsberg produzieren mehrere Mikrowinzer eine kleine, aber feine Menge Wein.

Früher war der Weinbau am Michaelsberg weit ausgeprägter. Viele Nebenerwerbswinzer der Winzergenossenschaft Obergrombach gaben ihre Trauben an die Winzergenossenschaft Wiesloch ab, nach 1997 an die Winzergenossenschaft Weingarten. Gab es zu Hochzeiten 400 Nebenerwerbswinzer, reduzierte sich die Zahl der Traubenlieferanten im Laufe der Jahre auf 10.

Der badische Kraichgau hat ohnehin selten große, zusammenhängende Rebflächen wie etwa die Mosel. Vielmehr bestehen eine Vielzahl von „Weininseln“, die mit Streuobstwiesen und Ackerflächen konkurrieren. Am Obergrombacher Michaelsberg ist der Weinbau heute klar in der Minderheit. Hier ist in den letzten Jahren - auch von weinaffinen Bewohnern kaum bemerkt - eine lokale Szene ambitionierter Mikrowinzer entstanden. Diese unterscheiden sich in ihrem Qualitätsanspruch allerdings deutlich von früheren Hobby- oder Nebenerwerbswinzer, die als Ziel ihrer Anstrengungen meist banale Durstlöscher oder ein Zusatzeinkommen durch Traubenabgabe hatten. Heute streben die Mikrowinzer nach hochwertigen, regionalen Produkten, die mit traditionellen, handwerklichen Methoden hergestellt werden. Die Weine dieser „Garagen-Winzer“ zu probieren, birgt positive Überraschungen:

  

-       Chardonnay Heinz Lauber

 

Die erst vor wenigen Jahren gepflanzten Reben von Heinz Lauber bringen einen hellgelben Chardonnay hervor. Die internationale Rebsorte erfreut sich in ganz Baden zunehmender Beliebtheit. Die Nase des 2020er Chardonnays ist zunächst zurückhaltend und entwickelt mit der Zeit eine buttrige Note. Am Gaumen keine Fruchtbombe, sondern ein dicht gewobener und gehaltvoller Burgunder. Es dominieren eine herbe Bitternote und dunkle Mandelaromen. Ein gut gemachter Speisenbegleiter mit schöner Länge.

 

-       Riesling Marcel Marquedant

 

Der Riesling des Jungwinzers Marcel Marquedant aus 2020 hat leichte 11% Alkoholgehalt und eine angenehme Restsüße. Der feinherbe Frischling verfügt über eine hell goldgelbe Farbe. In der Nase sind bereits fein gewobene Fruchtnoten nach Pfirsich, Aprikose, Mirabelle und Maracuja zu erkennen. Am Gaumen kommen Aromen nach Holunderblüten, ein Hauch Minze, Litschi und Birne hinzu. Der Riesling hat eine komplexe, Extrakt-reiche Struktur. Trotz einer Säure von 7,7 Gramm bleibt der Michaelsberg ein badischer Riesling, bei dem die Säure eher mild als rassig daherkommt. Insgesamt entstand ein komplexer, angenehmer Riesling mit gutem Trinkfluss. Ein Einsatz zu gewürzten, asiatischen Gerichten bietet sich an.    

 

-       Spätburgunder Michael Noll und HP Pott

 

Im Mittelpunkt der Verkostung stand ein Direktvergleich der Spätburgunder von Michael Noll und HP Pott aus den Jahrgängen 2016 – 2018. Als Zugabe stellte HP noch seinen Burgunder aus 2015 an.

Der seit 2010 produzierte Spätburgunder Elysium von HP Pott ist der bekannteste Wein der im Obergrombacher Michaelsberg aktiven Mikrowinzer. Dies liegt zunächst daran, dass der Elysium vom renommierten Kronauer Weingut Bosch ausgebaut wird und auch regelmäßig bei Weinführern (Eichelmann, Gault Millau, Vinum) und Weinwettbewerben (Meininger deutscher Rotweinpreis) angestellt wird. Vor allem aber behauptet sich der Elysium des pensionierten Kriminalisten dort seit Jahren gegen die professionelle Konkurrenz mit Spitzenbewertungen zwischen 88 und 90 Punkten. Die 323 Rebstöcke von HP Pott wachsen im oberen Bereich des Michaelsbergs auf einer dicken Lößschicht.

Die Pinots des Gymnasiallehrers Michael Noll wachsen nur 200 Meter unterhalb des Weinbergs seines Winzerkollegen auf einem etwas steinigeren Untergrund. Beide Mikrowinzer verwenden für ihre Pinots kleine Holzfässer aus Frankreich, wobei Michael Noll den Wein selbst ausbaut.

Die Probe begann mit den 2018er Spätburgundern und tastete sich dann zurück in die Vorjahre. Um es vorwegzunehmen: Die Burgunder beider Mikrowinzer begegneten sich qualitativ auf Augenhöhe. Auch die Pinots von Michael Noll können im Kraichgau durchaus in der Spitzengruppe mitspielen.

 

-       2018

 

Bereits der erste Spätburgunder von Michael Noll legt die Messlatte sehr hoch. Der Pinot aus dem Spitzenjahrgang 2018 zeigt sich in dunklem, leuchtendem Rot. In der Nase etwas zurückhaltend. Dann ein Hauch Zwetschge. Am Gaumen folgt ein dichter, vielschichtiger Burgunder mit Aromen nach Kirsche, Himbeere und Schokolade. Gut eingebundene Tannine. Der Spätburgunder ist bereits zugänglich, wird sich aber noch positiv entwickeln. Der Pinot verfügt über reiche Komplexität und eine gute Länge. Ein hochwertiger Spätburgunder.

 

Der 2018er Spätburgunder von HP Pott fließt Rubinrot ins Glas. In der Nase entwickeln sich eher gemüsige Noten. Der Burgunder ist leicht rauchig und zeigt Aromen nach Leder, Gehölzen und eine herbe Frische. Am Gaumen dominiert ein fester Gesamteindruck mit straffer Säure. Die dicht gewobene Komplexität lässt Noten nach roter Johannisbeere, Brombeere, Holunder und Bitterschokolade erkennen. Ein harmonischer Spätburgunder mit wertigem Anspruch. Noch am Anfang seiner Entwicklung.

 

-       2017

 

In 2017 präsentiert sich der Pinot von Michael Noll in etwas hellerem Rot. Die Nase ist zurückhaltend. Am Gaumen erkennt man rote Johannisbeere und etwas Kirsche. Im Vergleich zum 2018er ist dieser Spätburgunder die leichtere und fruchtigere Variante.

Der Elysium von HP Pott aus 2017 präsentiert sich immer noch jugendlich. Der Burgunder zeigt in der Nase eine herbe Frische. Der Gesamteindruck am Gaumen ist etwas säurebetonter und kantiger. Vielschichtige Noten nach roten Brombeeren und dunklen Waldbeeren. Der Pinot ist noch nicht auf dem Höhepunkt.

 

-       2016

 

Kräftiges Rot mit violetten Rändern zeigt der 2016er Pinot von Michael Noll. In der Nase etwas Feuerstein und Zündelholz. Am Gaumen rote Kirsche und Vanille. Harmonie und Eleganz prägen den gelungenen Pinot. Der Spätburgunder hat jetzt eine schöne Trinkreife erreicht. Langer Nachhall.

 

Der rubinrote Pinot von HP Pott aus 2016 verfügt über eine präsente Beeren-Aromatik und etwas grünen Paprika in der Nase. Am Gaumen ein wunderbar gereifter und harmonisch runder Spätburgunder. Das Holz ist inzwischen vollständig integriert. Eine stimmige Symbiose aus milder Säure und roten Beeren. Im weiteren Verlauf weißer Pfeffer, Schokolade und etwas Rauch. Die seidige Eleganz verleiht dem Spätburgunder eine enorme Fließgeschwindigkeit. Sicher einer der besten Elysium-Jahrgänge.

 

-       2015    

 

Quasi als Zugabe reicht HP Pott noch den Elysium aus 2015, der jetzt die ideale Trinkreife erreicht hat. Der Pinot funkelt in leuchtendem Rubinrot. In der Nase deutet sich bereits eine außergewöhnliche Aromen-Vielfalt an. Am Gaumen besticht der Elysium durch eine wunderbare Harmonie. Komplexe und dichte Noten nach roten Beeren, Krokant und mildem Rauch fügen sich zu einem opulenten Pinot. Die Tannine sind gut eingebunden. Die sanfte Säure sorgt für die nötige Frische. Der Elysium 2015 ist der Höhepunkt der Verkostung mit einem reifen Pinot aus einem absoluten Spitzenjahrgang.

 

Unabhängig davon, ob die Mikrowinzer ihre Weine zum Eigenverbrauch erzeugen oder einige Flaschen an Freunde, Bekannte und Interessierte abgeben: Es handelt sich bei allen probierten Weinen um Gewächse, die sich vor Produkten der professionellen Weingüter im Kraichgau keineswegs verstecken müssen. Man spürt, dass diese Weine mit erheblichem Aufwand, sehr nachhaltig und hohem fachlichen Können vinifiziert wurden.

Der Obergrombacher Michaelsberg wird wegen der geringen Mengen ein Geheimtipp für Insider bleiben. Wenn man ein Fläschchen probieren kann, sollten Weinfreaks die Chance unbedingt nutzen.

 

Degustationsbeschreibung von Manfred Beismann, Juni 2021