Wein-Impressionen: Porto und das Douro-Tal (September 2017)

 

Auch der fleißigste Beobachter des deutschen Weines braucht mal Urlaub vom heimischen Riesling. Es ist sicher kein Zufall, dass ich Portugal als Urlaubsziel auserkoren habe. Porto und das Douro-Tal sind die Heimat des Portweins und zählen zu den spektakulärsten Weinregionen Europas. Bei einer Reise in den Norden Portugals erlebt der Besucher zwangsläufig unvergessliche Weinimpressionen. 

1. Porto

Natürlich hat Porto und das auf der anderen Flussseite gelegene Vila Nova de Gaia mit der stählernen Ponte Dom Luis I, der Douro-Ufer-Promenade, dem Bahnhof San Bento und der Kathedrale Sé viele Sehenswürdigkeiten. Aberni cht nur für Weinliebhaber steht der Besuch eines Portweinkellers in Vila Nova de Gaia ganz oben auf der touristischen Hit-Liste. Alle führenden Portwein-Produzenten haben dort ihre Lager, die meist den Besuchern zur Besichtigung offenstehen. Bei den obligatorischen Portwein-Tastings kann der Weinliebhaber in die Geheimnisse der flaschengereiften Ruby-Ports

(Spitzenklasse: Vintage Port) und der fassgereiften Tawny-Ports (gestaffelt nach Altersklassen: 10, 20, 30 Jahre usw.) eintauchen. Portwein besteht klassischerweise aus Rotwein, der mit Branntwein auf einen Alkoholgehalt von 19 – 20 Prozent „aufgespritet“ wird. Portweine setzen sich überwiegend aus autochthonen Rebsorten zusammen, meist aus den „famous five“ Touriga Franca, TintaRoriz,  Tinta Barroca, Touriga Nacional und Tinta Cao. Inzwischen werden auch White Ports und Pink Ports hergestellt. 

 

- Graham´s Lodge

Die Graham´s Lodge liegt in Gaia etwas oberhalb des Douro-Flusses und fernab der Touristen-Ströme. Die Portwein-Marke Graham gehört zur Symington-Gruppe, die weitere Marken wie Dow, Cockburn, Warre und Vesuvio besitzt. Bevor die Keller-Tour mit der Portwein-Verkostung beginnt, sollte der Besucher von der ruhigen Terrasse das pittoreske Panorama Portos bei einem

Aperitif genießen. Danach schließt sich ein Lunch im gläsernen Anbau des angegliederten Restaurants Vinum mit ersten DOC-Weinen an. Zu erwähnen ist der DOC-Rotwein Post Scriptum von Prats & Symington aus dem überdurchschnittlichen Jahrgang 2015.

So gestärkt folgt die Keller-Tour, in der wir zunächst viel über die Geschichte des Portwein-Anbaus und die Eigentümer-Familie Symington erfahren. Die aus Schottland stammende Familie Symington gehört zu den Top-Five der Portweinhersteller, die 80 Prozent des weltweiten Portweinmarktes kontrollieren. In den eindrucksvollen Kellergewölben lagern unzählige Fässer mit Portwein. Nach der Kellerbesichtigung folgt die Portwein-Verkostung. Die Besucher wählen zwischen Standard-Verkostungen im großen Gastraum oder höherwertigen Verkostungen im „Private Vintage Room“. Im Vintage-Room sollte man die einmalige Gelegenheit zur Verkostung gereifter Portweine nutzen. Dort gibt es zwar nicht die zum 90. Geburtstag der Queen aufgelegte Port-Edition (Flaschenpreis: 6.000 Euro), aber immerhin einen Graham Tawny Single Harvest 1972 zum Flaschenpreis von 249 Euro zu probieren. Noch besser schmeckte aber der 30 Years Old Tawny von Graham (80 Euro). Im Einstiegsbereich bietet der Ruby-Reserve Six Grapes eine frische und fruchtige Alternative. 

 

- Hotel Yeatman

Wenn dem Portugal-Touristen die vierstelligen Übernachtungspreise für die Bacchus-Suite des Top-Hotels Yeatman zu hoch sind,

kann er sich in Gaia mit einer preiswerteren Alternative begnügen. Die Eigentümer Fladgate Partnership (bekannteste Portwein-Marke: Taylor) veranstalten mit den 50 Partner-Weingütern im Yeatman wöchentliche Essen mit Weinverkostungen. In den Sommermonaten findet mehrfach die legendäre Wine-Sunset-Party auf den weitläufigen Terrassen des Yeatman statt. Dort genießen die „Schönen und Reichen“ sowie die lebensfrohen Mitglieder und Freunde der Winzer-Dynastien den Sonnenuntergang und später Porto bei Nacht. Ein unvergessliches Panorama. Zahlreiche Köstlichkeiten der Sterne-Küche und viele Stationen mit Sekt-, Rose-, Weiß-, Rot- und Portwein-Ständen bieten ein turbulentes Ambiente für laue Sommerabende. Portwein-Puristen werden bei „Croft Pink-Tonic-Port“ ähnlich die Nase rümpfen wie ein Kraichgauer Weinzahn bei einer süßen Rotwein-Schorle. Das Getränk hat mit Portwein sicher nicht viel zu tun, war aber ein erfrischender Einstieg in den Party-Abend. Die Puristen sind wahrscheinlich spätestens bei dem zum Dessert genossenen 20 Years Old Tawny von Taylor wieder versöhnt.

Die Fladgate Partnership Gruppe gehört - wie die Symingtons - zu den „Big Five“, die fünf großen Gesellschaften, die 80 Prozent des im Douro-Tal produzierten Portweins vermarkten. Zwar gibt es im Douro-Tal 22.000 Weinbauern. Ökonomisch betrachtet findet aber seit Jahren ein Konzentrationsprozess im Portwein-Geschäft statt.

 

- Restaurant Casa de Cha Boa Nova

Es gibt kaum einen Bildband über kulinarische Genüsse in Porto, der das spektakulär an den Atlantik-Klippen klebende Sterne-Lokal Casa de Cha Boa Nova nicht portraitiert. Das im Vorort Leca da Palmeira gelegene, unter Denkmalschutz stehende Gebäude des Stararchitekten Álvaro Siza Vieira wird vom Spitzenkoch Rui Paula zu einem Gesamtkunstwerk für alle Sinne komplettiert. Zunächst kann man sich am Gebäude und den grandiosen Ausblicken auf die tosenden Atlantik-Wellen und die benachbarte Kapelle kaum satt sehen. Erst nach Sonnenuntergang und dem fünften Gruß aus der Küche nimmt der Besucher wieder wahr, dass er primär zum Essen in das Restaurant gekommen ist. Nun rundet Rui Paula mit seinen Menus und der perfekt abgestimmten Weinbegleitung portugiesischer Spitzengewächse das Erlebnis ab. Vom Pinot-Noir-Sekt bis zum abschließenden Portwein wird jeder Gang zum Hochgenuss. Als Weinempfehlungen nennen wir nur die zelebrierten Portweine, den 2011er LBV der Quinta Ventozelo und den 20 Years Old Tawny von Bulas.

 

2. Douro-Tal

Nach diesen Impressionen im turbulenten Porto gönnen wir uns etwas Ruhe im sich bis zur spanischen Grenze erstreckenden Douro-Tal. Die Region mit 45.000 Hektar Rebflächen ist die Heimat des Portweins und liegt 100 bis 250 Kilometer östlich von Porto. Das Douro war 1756 das erste abgesteckte Weinanbaugebiet weltweit. Die schönste Anreise in das 2001 zum  Weltkulturerbe ernannte Douro-Tal bietet die Bahn, die in 2,5 Stunden die Fahrt zwischen Porto und Pinhao bewältigt. Vor allem das letzte Teilstück zwischen Regua und Pinhao folgt direkt dem Douro-Ufer mit den endlosen Schiefer-Terrassen und den wie an

einer Perlenschnur vorbeiziehenden Quintas. Sicher eine der spektakulärsten Bahnstrecken des Kontinents. Pinhao selbst, im Herzen des Weinanbaugebiets gelegen, ist ein eher verschlafenes Nest. Das schönste Gebäude ist der Bahnhof, an dem mit einer Serie von blauen Fliesen (Azujelos) der Weinanbau am Douro dargestellt wird. Pinhao bietet aber geografische Vorzüge für den Besuch vinologischer Highlights:

 

- Quinta de la Rosa

Beginnen wir in der fußläufig außerhalb Pinhaos gelegenen Quinta de la Rosa. Die von der schwedischen Familie Bergquist betriebene Quinta produziert neben Portweinen auch sehr gute weiße und rote DOC-Weine. Die Familie Bergquist begann kurz nach der Handelsliberalisierung und dem EU-Beitritt Portugals mit der Selbstvermarktung ihrer Weine. Die direkt am Flussufer gelegene Quinta verfügt auch über Fremdenzimmer und seit einigen Monaten über ein ausgezeichnetes Restaurant. Dort wird jeden Abend bei Kerzenlicht in Erinnerung an die gastfreundliche Oma der derzeitigen Eigentümerin ein Dinner „Claires Table“ zelebriert, bei dem ein Menu mit passender Weinbegleitung geboten wird. Unter den zum Menu verkosteten Weinen sticht der

2015er Red Reserve hervor.

 

- Wein-Tour mit Jorge Barefoot

Um die Douro-Region in ihrer landschaftlichen Schönheit optisch voll erfassen zu können, sind Perspektiv-Wechsel von den Berghöhen und vom Fluss unerlässlich. Diese bleibenden Eindrücke und der Genuss von außergewöhnlichen Weinen lässt sich bei einer ganztägigen Tour mit dem Weinführer Jorge Barefoot verbinden. Die private Tour im geländegängigen SUV umfasst Besuche auf Quintas mit einem Olivenöl-Museum und eine Bootsfahrt auf dem Douro. Bei dieser ab zwei Personen buchbaren Tour lernen sie die kleinen Weinproduzenten des Douro-Tals kennen, die seit dem EU-Beitritt Portugals und dem Hype um die DOC-Weine trotz des bestehenden Konzentrationsprozesses ihre Nischen am Markt gefunden haben. Nach dem Besuch der Ölmühle auf der Quinta D ´Origem und einer Bootsfahrt auf dem Douro, folgt auf der Quinta Bucheiro ein von der Hausherrin selbst zubereitetes Menu. Zu dem Menu im gediegenen Herrenhaus werden der Sekt und die Weine der Quinta gereicht. Das prunkvolle Herrenhaus zeigt die frühere Bedeutung des Weinguts, dessen damaliger Eigentümer bei der Bekämpfung der Reblaus im Douro-Tal eine wichtige Rolle spielte. Weiter geht die Fahrt mit atemberaubenden Ausblicken auf die endlosen Schieferterrassen zur Quinta do Infantado. Die 1816 vom Sohn des portugiesischen Königs gegründete Quinta gehört inzwischen der Familie Roseira und verfügt über 46 Hektar. Die Eigentümer haben gerade die Lese abgeschlossen und die Trauben ruhen in den Lagares. Die anschließende Weinverkostung zeigt, dass sich die Quinta do Infantado qualitativ nicht hinter den Großproduzenten verstecken muss. Zu empfehlen sind vor allem der Ruby Reserve und der LBV 2012. Fruchtige Portweine mit Charakter. Die unvergessliche Fahrt durch das Douro-Tal neigt sich dem Ende und Jorge Barefoot bringt uns wieder sicher über die „Rumpelpisten“ zum Hotel zurück.

 

- Quinta Bomfim

Die 77 Hektar große Quinta Bomfim liegt direkt in Pinhao am Douro-Ufer und gehört zum umfangreichen Grundbesitz der aus Schottland stammenden Symington-Familie. Die Reben dieser Quinta werden insbesondere für die Portweinmarke Dow verwendet. Die Symington-Familie, die Quintas mit einer Gesamtfläche von 1.100 Hektar besitzt, hat 2015 in der Quinta Bomfim ein sehenswertes Besucherzentrum eröffnet. Das Besucherzentrum erhielt 2017 den Preis „Global Winner Wine Tourism Services“. In der Quinta kann die Portwein-Produktion schrittweise nachvollzogen werden. Die Firma Symington war führend in der Ablösung des früheren stundenlangen „Trauben-Tretens“ der Lesehelfer in den Lagares. Heute werden die Trauben überwiegend vollautomatisch mit „Silikon-Füßen“ getreten, um den Trauben Extrakte und Aromen zu entlocken. Damit geht zwar ein Stück portugiesischer Weinbauromantik verloren. Lesehelfer, die früher 10 Stunden mit 40 Kilo schweren Traubenkörben auf dem Rücken bei 48 Grad Celsius in den Steilhängen schufteten, werden froh sein, nicht noch zusätzlich nachts in 4-Stunden-Schichten Trauben in Lagares treten zu müssen. Zum Zentrum der Quinta Bomfim gehört ein Museum und der obligatorische Wein-Shop, in dem alle Marken der Symington-Gruppe gekauft werden können. Selten verkauft wird der hinter einer Vitrine gesicherte Spitzen-Port von Graham „Ne Oublie“ für den Flaschenpreis von schlappen 6.500 Euro. Zu jeder Besichtigung gehört die Verkostung von Portweinen, die auf der wunderschönen Terrasse unmittelbar am Douro-Ufer stattfindet. Top-Wein der

Tawny-Verkostung war der 30 Years Old Port von Dow. Für aktive Portwein-Fans führen von der Quinta ausgeschilderte Wanderwege in die Weinberge, bei denen die als UNESCO-Weltkulturerbe geschützten Steinterrassen aus unmittelbarer Nähe zu bestaunen sind. Am Ende eines Wanderwegs hoch über dem Fluss steht das Echo-House, auf dessen Terrasse sie ein Picknick mit wunderbarer Fernsicht über den Douro genießen können. Die Stille der Landschaft sorgt garantiert für totale Entschleunigung. 

 

- Quinta Nova Nossa Senhora do Carmo

Ein absolutes Highlight des Douro-Aufenthalts ist ein Besuch der Quinta Nova in Ferrao. Mit dem Auto ist die Quinta von Pinhao nur über eine abenteuerliche, halbstündige Fahrt auf kurvenreichen Straßen zu erreichen. Einfacher ist die Anfahrt mit der Bahn in sieben Minuten, wo sie am Bahnhof vom gutseigenen Shuttle abgeholt werden. Schon die Anfahrt zur Quinta bietet unglaubliche Ausblicke auf die Weinberg-Terrassen. Die Quinta gehört zur Amorim-Gruppe, dem weltweit größten Kork-Produzenten. Der Chef der Amorim-Gruppe, nach Forbes der reichste Portugiese, ist vor wenigen Wochen gestorben. Die Leitung der Quinta obliegt seiner Tochter Luisa. Die Amorim-Gruppe hat in den letzten Jahren einen zweistelligen Millionen-Betrag in

das Objekt investiert. Entstanden ist ein authentisches Ensemble aus Weingut, Hotel, Restaurant, eigener Kapelle, Museum und Wein-Shop. Hohes Qualitätsniveau in Hotel und Gastronomie, unglaubliche Ausblicke auf die einzigartige Landschaft sowie Ruhe und Abgeschiedenheit bilden ein einmaliges Gesamtkunstwerk portugiesischer Weinkultur. Der Werbe-Slogan „a piece of  paradise“ trifft hier ohne Abstriche zu. Die Quinta Nova gehört zu den „one of the nine must see wineries of the world“.

Nach einer Führung durch die Kellerei und dem Besuch des neuen Weinbau-Museums bietet sich zunächst ein Lunch im Restaurant Conceitus an. Bei dem Menu können auf der schattigen Terrasse schon die ersten Weine der Quinta probiert werden. Quinta Nova stellt über 80 Prozent Weiß-und Rotweine her. Die Weißweine gehören zu den Besten in Portugal. Nur 10 – 20 Prozent der Reben werden zu - ausgezeichneten - Portweinen verarbeitet. Nach dem Essen und einem Besuch in der Kapelle schlendern sie zum Wein-Shop, wo sie weitere Weine des Sortiments bei atemberaubender Sicht auf die Weinberge und den Douro verkosten können. Zu empfehlen sind der Weißwein Grainha Reserve und der Ruby-Port CLA Reserve. Das Douro-Tal steht für sanften Tourismus. Zwar steigt die Besucher-Zahl durch die zunehmenden Fluss-Kreuzfahrten an. Außerhalb der Zentren sind die schwer erreichbaren Quintas aber immer noch Oasen der Ruhe. Die touristische Infrastruktur mit Hotels und Gastronomie des Douro-Tals könnte allerdings in der Breite noch zulegen. Beste Reisezeit ist der September. Im Hochsommer werden im Douro-Tal Temperaturen von über 45 Grad erreicht. Für die Reiseplanung sind das neue Standardwerk „Portwein“ von Axel Probst und das aktuelle Taschenbuch „Das Douro-Tal“ von Christopher Pfaff wärmstens zu empfehlen. Sie erschließen dem Weininteressierten eine neue Welt. Die Weine Portugals und vor allem die Portweine haben auf dieser Tour neue Freunde gewonnen. Aber auch bei einem deutschen Riesling kann man die vielfältigen Eindrücke dieser Reise noch einmal sehnsuchtsvoll Revue passieren lassen.  

Wein-Impressionen von Manfred Beismann, September 2017