Weingüter Heitlinger und Burg Ravensburg: Große Gewächse und schöne Überraschungen am 01.09.2019

 

Der deutsche Wein-Feiertag am 01. September hat sich wohl noch nicht ins Gedächtnis der Kraichgauer Bevölkerung eingebrannt. Anders ist es nicht zu erklären, wieso an einem schönen Spätsommer-Sonntag zwar die Terrasse des Restaurants Albatros und der Parkplatz im benachbarten Golf-Resorts gut gefüllt sind, die Besucher-Resonanz auf die Einladung des Weinguts Heitlinger zur Premieren-Verkostung der Großen Gewächse (GG) in der schmucken Vinothek dagegen ziemlich überschaubar bleibt. Dabei können die beiden, auf über 100 Hektar angewachsenen VDP-Weingüter Heitlinger und Burg Ravensburg eine stattliche Anzahl ausgezeichneter GGs aufbieten. Nur Heinz Heiler dürfte als Inhaber beider Weingüter in der Lage sein, alle sechs in Baden für GG zugelassenen Rebsorten, zum Teil sogar mehrfach aus eigenen Beständen präsentieren zu können. Auch nimmt man sich bei Heitlinger und der Burg Zeit, die hochwertigen GGs reifen zu lassen. So wurden am 01. September 2019 die weißen GGs des Jahrgangs 2017 und die roten GGs aus 2015 oder älter präsentiert. Zur Orientierung über das umfangreiche Sortiment standen bei der Verkostung Lagenkarten der beiden Weingüter bereit. Dies dürfte so manchen Kraichgau-Wanderer zu weiteren Spaziergängen durch die wunderbare Hügellandschaft animieren, die er nun mit geschärftem (Lagen-) Blick sieht. Doch nun zum aktuellen Sortiment: 

 

- Riesling

 

Baden ist in erster Linie Burgunder-Land. Die Klimaerwärmung trägt zudem dazu bei, den Anbau der „kühlen“ Rebsorte Riesling in Baden zu erschweren. Trotzdem gelang es „Wine-Maker“ Claus Burmeister, beachtliche Riesling-GGs aus 2017 in die Flasche zu bringen. Geheimtipp ist Heitlingers Schellenbrunnen. Ein lebendiger Riesling mit schönen Limetten- und Citrus-Noten. Im Hintergrund sorgt der blaue Mergel des Tiefenbacher Schellenbrunnen für straffe Mineralität. Burg Ravensburg zeigt zwei vom Terroir geprägte Riesling-GGs, die Sulzfelder Husarenkappe und den Eichelberger Kapellenberg. Der Klassiker Husarenkappe betört wie immer mit exotischen Maracuja-Noten und enormer Komplexität. Die ernst zu nehmende Konkurrenz vom Kapellenberg lebt primär von einer tiefgründigen Mineralität des Stubensand- und Vulkangesteins. Bei den Erste-Lagen-Weinen ist der neue Ravensburg-Riesling Götzen aus 2016 eine schöne Überraschung. Ein frischer Riesling mit kalkdominierter Kühle und Citrus-Aromen. Eine preiswerte Alternative zu den GGs.

 

- Weißburgunder 

        

Welches Potenzial die Rebsorte Weißburgunder hat, wurde Weinfreunden im Juli 2019 beim Weißburgunder-Gipfel der von Claus Burmeister geführten Weiße-Burgunder-Charta bewusst. Dort konnten die einheimischen Gewächse mit der hochkarätigen internationalen Konkurrenz mithalten. Ein Paradebeispiel für herausragende Weißburgunder aus dem Kraichgau ist das GG Eichelberg des Weinguts Heitlinger. Der nicht vorlaute, sondern eher dezent nobel ausgebaute Pinot Blanc wird von der kalkhaltigen Kühle des Eichelberg geprägt. Kräutrige, mineralische und fruchtige Noten wechseln sich bei dem vielschichtigen Burgunder ab. Ein interessantes GG für Kenner. Burg Ravensburg stellte das GG Löchle vor, einen tiefgründigen Weißburgunder mit Aromen nach Nüssen und gelben Früchten. 

 

Rechtzeitig zum „Feiertag“ ist der Gutswein Pinot Blanc bei Heitlinger „Wein des Monats“. Mit dem attraktiven „6 + 1-Angebot“ ist der Beste unter den Heitlinger-Gutsweinen ein echtes Schnäppchen. Der Pinot ist ein eleganter und trotzdem unkomplizierter Wein mit schönen Mirabellen- und Pfirsich-Noten. 

 

- Grauburgunder

 

Schon optisch sticht der Pinot Gris Spiegelberg von Heitlinger mit seinem leichten Kupferstich hervor. Das im Holz ausgebaute GG zeigt Kraft und Komplexität. Favorit bei dieser Rebsorte ist aber das Löchle von Burg Ravensburg. Das warme Mikroklima in einer Mulde des Burgbergs lässt volumenreiche Weine zu. Wuchtige Mineralität und unheimliche Dichte sind die Grundlage für einen facettenreichen Grauburgunder mit einem Strauß an Aromen.

 

- Chardonnay

 

Der Regionalverband Baden des VDP bewies ein gutes Händchen, Chardonnay als GG-Rebsorte zugelassen zu haben. Chardonnay ist die Rebsorte mit dem größten Potenzial unter den weißen Burgunder-Sorten. Die Chardonnay-Exemplare von Huber, Keller und Dr. Heger werden auch auf Bundesebene neben der fast übermächtigen Riesling-Phalanx wahrgenommen. Auch bei Heitlinger hat das GG vom Heinberg großes Potenzial. Kalkhaltiger Boden, leichte Holznote und schöne Mineralität bilden die Basis für einen Extrakt haltigen Chardonnay mit langanhaltenden Fruchtaromen wie Melone und Apfel.

 

- Auxerrois 

 

Auch für die Kraichgau-Spezialität Auxerrois sollte der VDP überlegen, ob diese Rebsorte nicht zumindest für den Kraichgau und die Badische Bergstraße als GG-Rebsorte zugelassen wird. Heitlinger hat mit dem direkt über dem Gutsareal in Tiefenbach gewachsenen Hassapfel einen Kandidaten auf GG-Niveau. Auch preislich in der GG-Kategorie angesiedelt, vermittelt der Auxerrois mit seinen floralen und feinfruchtigen gelben Noten das unverwechselbare Kraichgau-Lebensgefühl. Mit dieser Rebsorte kann der Kraichgau punkten. Und das nicht nur zur Spargelzeit. 

 

- Spätburgunder

 

Auf Augenhöhe begegnen sich die Spätburgunder-GGs von Heitlinger und Burg Ravensburg. Der 2015er Heitlinger aus dem Odenheimer Königsbecher entwickelt tiefgründige Aromen nach Pflaume und Waldbeere. Grundlage ist der rote Mergelboden. Wieder aus dem Löchle kommt der 2015er Spätburgunder von Burg Ravensburg. Ein würziger Pinot mit lebendigen Noten nach Kräutern, Kirsche und Johannisbeeren.

 

- Lemberger

 

Der Kraichgau Klassiker schlechthin ist der Dicke Franz von Burg Ravensburg. Noch immer fällt es schwer, in diesem Kontext von Blaufränkisch und nicht von Lemberger zu sprechen. Der 2014er präsentiert sich taufrisch mit reifen Tanninen. Die Gips-Keuper-Verwitterungsböden der legendären Lage sind Jahr für Jahr die ideale Grundlage für tiefgründige Blaufränkisch. Sattes Volumen und ein gewaltiges Aromen-Spektrum nach Kirschen, Holunder und etwas Schokolade sorgen für nachhaltigen Genuss.

 

- Schwarzriesling

 

Ein weitgehend unbeachteter Rotwein im Heitlinger-Sortiment sorgte für eine positive Überraschung. Unter den Reserve-Weinen aus biologisch bewirtschafteten Weinbergen findet sich der 2016er Pinot Meunier Reserve. Eine nur angedeutete Holz-Note lässt viel Raum für einen harmonischen Rotwein mit frischen Beeren- und intensiven Kirsch-Aromen. Der unterschätzte Pinot erreicht eine beachtliche Fließgeschwindigkeit. Der Schwarzriesling steht den GGs kaum nach, ist aber preislich durchaus interessant.

 

Heitlinger und Burg Ravensburg bleiben die Aushängeschilder für den Weinbau im Kraichgau. Heinz Heiler und Claus Burmeister wagen dabei den Spagat, hinzugekommene Flächen im Basissegment zu integrieren und parallel ein breit gefächertes Spektrum an Spitzenweinen zu erzeugen. Dabei dürfte vor allem bei Heitlinger die Entwicklung erst am Anfang stehen. Dort wird mit exakten Bodenanalysen, hochwertigen Neuanpflanzungen und biologischer Bewirtschaftung das vielfältige Potenzial im Kraichgau sukzessive ausgeschöpft. Nur wenige Regionen in Deutschland weisen wie der Kraichgau auf engem Raum so unterschiedliche Terroirs auf. Dadurch können die Weingüter auch ein reichhaltiges Rebsorten-Spektrum anbieten.

 

Es wird sicher noch einige Jahre dauern, bis alle Weintrinker im Kraichgau erkennen, in welch privilegierter Region sie leben. Ob die Zahl der Liebhaber des Kraichgau-Weins zunimmt, lässt sich vielleicht schon an der Besucherzahl beim nächsten „Wein-Feiertag“ im Weingut Heitlinger ablesen. 

 

Degustationsbeschreibung von Manfred Beismann, September 2019