Weingut Dautel, Bönnigheim (Württemberg) 

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„Bereits meine Urahnen waren rebellisch und eigenwillig. So wurde Jakob Dautel 1514 geköpft, weil er in der Bewegung Armer Konrad gegen den württembergischen Herzog Ulrich rebelliert hatte“, erzählt Christian Dautel bei der Vorstellung des Betriebs aus seiner Familiengeschichte. Dabei sieht der junge Winzer mit den markanten Dreadlocks nicht gerade aus wie ein staubtrockener Ahnenforscher. Aber die Geschichte mit seinem geköpften Vorfahren Jakob Dautel ist einfach zu spektakulär, um auf sie zu verzichten.
 

Die Geschichte des heutigen VDP-Weinguts Dautel ist deutlich jünger und beginnt mit Christians Vater Ernst Dautel. Der 1946 geborene Vollblutwinzer ist offensichtlich mit ähnlich rebellischem Blut wie der tapfere Jakob ausgestattet. Denn er trat 1978 gegen den Willen seines Vaters aus der örtlichen Winzergenossenschaft aus und gründete ein eigenes Weingut. Ernst Dautel ging eigenwillig seinen Weg. Er war einer der ersten Winzer, die in Schwaben dem Barrique-Ausbau frönten. Mit einer Sondergenehmigung pflanzte er dort als Erster Chardonnay an. Ernst Dautel schaffte es in den Eliteverband VDP und etablierte den Betrieb in der Spitzengruppe der württembergischen Weingüter. Auf Weinmessen fällt Ernst Dautel stets durch seine markante Stimme und seinen Schnurrbart auf. Auf Dauer bleibt ein Weingut aber nur erfolgreich, wenn die Qualität im Glas stimmt. Und die Qualität stimmt bei Ernst und nun auch bei seinem Sohn Christian.

Der groß gewachsene Junior ist mit seinen Dreadlocks und der lässigen Kleidung natürlich ein Eyecatcher bei der eher konservativen Population auf deutschen Weinmessen. Aber man darf sich nicht täuschen lassen: Hinter der äußerlichen Lockerheit steckt akribische Arbeit und schwäbische Zielstrebigkeit im besten Sinne. Betrachtet man die Hände des 1985 geborenen Hoffnungsträgers, wird offensichtlich, dass er gewohnt ist, hart im Weinberg zu arbeiten. Christian Dautel verfolgt seine Idee von schwäbischen Spitzenweinen „fadengrad“ wie ein Senkblei. Neben dem Geisenheim-Studium hat sich Christian Dautel in Burgund, Bordeaux, Südafrika, Australien, den USA und im Burgenland zielgerichtet auf die Betriebsübernahme vorbereitet. Der Jungwinzer sammelte dabei wichtige Erfahrungen in internationalen Spitzenbetrieben, die die gleichen Rebsorten anbauen, wie die Dautels im schwäbischen Bönnigheim.

Das Weingut Dautel bewirtschaftet heute 15 Hektar Reben vor allen mit den Rebsorten Riesling, Weißburgunder, Chardonnay, Spätburgunder und Lemberger. Ihre Spitzenlagen liegen in Besigheim, Bönnigheim, Oberstenfeld und Cleebronn. Seit dem Einstieg von Christian Dautel hat sich die Stilistik im Betrieb sukzessive verändert. Hatte Ernst Dautel in seiner wilden Zeit noch kräftige, holzbetonte Weine produziert, so bringt Sohn Christian mit einer bewundernswerten Sensibilität zunehmend Eleganz und Finesse in die Weine. Bei beiden Dautels wird die Langlebigkeit der Weine großgeschrieben, wie ich bei der Verkostung reifer Jahrgänge auf einer VDP-Präsentation vor einiger Zeit feststellen konnte.
 

Heute nimmt uns Christian Dautel in der schmucken Vinothek des Weinguts entlang der Hauptrebsorten mit auf eine Reise durch das abwechslungsreiche Sortiment seines Betriebs. Dabei werden jeweils die Qualitätsstufen der VDP-Pyramide Ortsweine, Erste Lage und Große Lage verkostet. Es wird schnell deutlich, wie präzise der Winzer die Unterschiede der verschiedenen Böden, vor allem Gipskeuper, Muschelkalk, bunter Mergel und Schilfsandstein, herausarbeitet:

      - Riesling 

Die Rieslinge des Weinguts Dautel spiegeln die stoffige Grundstruktur württembergischer Rieslinge wider. Der 2018er Gipskeuper zeigt sich weich und gelbfruchtig. Es folgt der auf Muschelkalkböden an der Enz gewachsene und spontan vergorene 2017er Besigheimer Wurmberg. In der Nase zurückhaltende Fruchtaromen. Der Riesling besitzt ein dichtes Grundgerüst, ist aber dennoch zart und verspielt. Er verfügt über ein feines Frucht-/Säurespiel. Das GG Bönnigheimer Steingrüben ist selbstredend der mit Abstand beste Riesling in der Dautel-Kollektion. Der 2016er ist wieder einer der besten Rieslinge in Württemberg. Dichte Struktur und Mineralität bilden den Rahmen für exotische Fruchtaromen. Intensive Aprikosen-Noten treten hervor. Ein feinfruchtiger Riesling in schöner Balance.

     -  Weißburgunder/Chardonnay 

Christian Dautel ist ein Fan der Rebsorte Weißburgunder: „Ich sehe Weißburgunder und Chardonnay auf Augenhöhe. Für den Weißburgunder spricht seine Vielseitigkeit. Die Rebsorte ist ein idealer Speisenbegleiter.“ Und bereits dem Weißburgunder Gipskeuper gilt eine absolute Kaufempfehlung. Selten findet man bei einem Ortswein eine derartige Eleganz und Geradlinigkeit. 30 Prozent des Gipskeuper werden im Holz ausgebaut. Dies verleiht dem Burgunder zusätzliche Dichte. Aromen von Ananas und Nektarine sind mit schöner Mineralität unterlegt. Der Weißburgunder ist kein Lautsprecher, sondern ein wertiges Unikat mit feiner Struktur.

Beim Weißburgunder S aus 2017 möchte man den Atem anhalten und andächtige Stille walten lassen. Vielleicht der Wein, der die Weinbau-Kunst von Christian Dautel am besten erkennen lässt. Der Pinot stammt aus den Lagen Forstberg und Steingrüben. Feinste Eleganz und zarte Komplexität. Der Weißburgunder reift zwölf Monate auf der Vollhefe. Leise, pfeilgerade Struktur und optimale Symbiose von kühler Mineralität und filigraner Frucht. Ein Meisterwerk und zweifellos einer der besten Weißburgunder Deutschlands. 

Der ebenbürtige Chardonnay S aus 2017 besticht durch seine Cremigkeit und Komplexität. Spontan vergoren zeichnen den Chardonnay tiefe Mineralität und feine Fruchtaromen aus. Ananas und Pfirsich sind auszumachen. Ein imposanter Wein mit großem Entwicklungspotenzial. Die optimale Trinkreife dürfte ab 2022 eintreten.
 

     -  Spätburgunder 

„Es gibt Spätburgunder-Trinker und Rotwein-Trinker“, philosophiert Christian Dautel beim Übergang in das rote Segment. Er bezieht sich dabei auf die unter Weinkennern oft emotional geführte Diskussion, welcher rote Wein nun „der beste“ ist. Für Christian Dautel sind dies schlicht unterschiedliche Weinarten, die gleichwertig nebeneinanderstehen. Hier der elegante und feingliedrige Spätburgunder, dort die dichten und wuchtigen Rebsorten wie Cabernet oder Merlot.
 

Der Spätburgunder Schilfsandstein stammt aus Cleebronn. Der Ortswein ist ein schöner Einstieg in die Spätburgunder von Christian Dautel. In der Nase rote Beeren und Kirsche. Am Gaumen würzig mit gut eingebundenen Tanninen. Rauchige Noten und Eleganz bei einem animierenden und frischen Gesamteindruck. Einen Qualitätssprung bietet der 2016er Spätburgunder aus dem Bönnigheimer Sonnenberg. Am Gaumen kraftvoll und saftig. Vielfältige Aromen von dunklen Beeren, Süßholz und leicht rauchigen Noten. Harmonisches Säurespiel. Das dezent eingebundene Holz verleiht dem Wein Kraft, Charakter und Finesse. Für diesen Burgunder gilt wieder eine klare Kaufempfehlung. 

Das 2016er Große Gewächs Spätburgunder Forstberg reift 20 Monate im Barrique. Entstanden ist ein wahrhaft großer Spätburgunder. In der Nase ein dichter Pinot mit Kirsch- und Schokoladearomen. Am Gaumen seidige Finesse. Noten nach reifen Johannisbeeren, etwas Cassis und edlem Mokka. Der Pinot ist unheimlich vielschichtig und komplex, ohne dabei seine geradlinige Feinheit zu verlieren. Langer Nachhall. Für Pinot-Fans ist der Forstberg ein absolutes Muss.

     -Lemberger 

Lemberger ist die Paraderebsorte in Württemberg. Schon der Ortswein Lemberger vom Gipskeuper ist bei Dautel ein hochwertiger Wein mit sehr gutem Preis-/Genussverhältnis. Vollmundige reife Frucht mit satten, süßen Kirscharomen prägen diesen Lemberger aus 2017. Übertroffen wird der Ortswein vom 2016er Lemberger Sonnenberg aus der Ersten Lage. Würzige Nase und am Gaumen satte dunkle Struktur. Aromen nach reifer Kirsche und Kaffee.
 

Nach einer kürzlichen Verkostung aller aktuellen württembergischen GG zähle ich den 2016er Cleebronner Michaelsberg vom Weingut Dautel zu den Top 5-Lembergern im Anbaugebiet. Tiefes Granatrot. Schöne Nase nach Kirschen und schwarzen Brombeeren. Am Gaumen eine unheimliche Komplexität, dichte Tannine und belebende Säure im Hintergrund. Vielfältige Fruchtaromen wie Waldbeeren und Kirschen. Der Lemberger steht noch ganz am Anfang seiner Entwicklung.
 

In der Gesamtbetrachtung legt Christian Dautel eine ungemein vielseitige und hochwertige Kollektion vor. Mit Christian Dautel hat das Anbaugebiet Württemberg einen echten Typen, der bei aller äußerlichen Lässigkeit eine kompromisslose Zielstrebigkeit an den Tag legt. Seine Weine zeugen von einem ausgeprägten Fingerspitzengefühl. Christian Dautel arbeitet in allen Rebsorten und Qualitätsstufen das Terroir und die Sortentypizität exakt heraus. Bei den Spitzenweinen entstehen so filigrane Unikate, die nicht als überladene Blockbuster daherkommen, sondern die Stärken der jeweiligen Rebsorte mit instinktiver Sensibilität herauskitzeln. Individuelle, elegante Weine mit eigenem Charakter.
 

Die Zeiten ändern sich. Aber die Eigenwilligkeit der Dautels bleibt. Zum Glück wird dafür heute niemand mehr - wie noch 1514 - geköpft. 2019 beschränken wir uns beim Köpfen auf die hochwertigen Flaschen mit ihrem spektakulären Inhalt. Zum Wohl!
 

Kontaktdaten 

Weingut Dautel 

Lauerweg 55 

74357 Bönnigheim 

Tel.: 07143/870326 

Mail: info@weingut-dautel.de 

Internet: www.weingut-dautel.de 

Weingutportrait von Manfred Beismann, Oktober 2019