Hofgut Falkenstein, Konz-Niedermennig (Mosel)

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Eigentlich müssen sie dieses Weingutportrait gar nicht lesen: Das Hofgut Falkenstein in Konz-Niedermennig ist nur schwer zu finden. Und sollten sie es trotzdem aufspüren, können sie dort nur selten Wein kaufen. Doch der Reihe nach:

 

Das Drama begann schon in grauer Vorzeit. Die eigenwillige Mosel änderte ihren Lauf und seit dieser Zeit liegen Niedermennig und das Hofgut Falkenstein nicht mehr am Fluss „Mosella“, sondern in einem einsamen Seitental. Diesen Randbereich des Anbaugebiets schlug man später der Region Saar zu. Und einige der in historischen Klassifikationskarten des 19. Jahrhunderts noch hoch bewertete Lagen des Hofguts gerieten in Vergessenheit. Inzwischen wurde das frühere Anbaugebiet Mosel-Saar-Ruwer wieder zum Anbaugebiet Mosel umbenannt.

 

Bei unserem ersten Besuch bei Falkenstein hatten wir Niedermennig zwar erreicht, aber die modernen Navis versagten bei der Suche nach dem Hofgut. Auch an den Straßen fand sich kein Hinweisschild auf den Sehnsuchtsort. Selbst wenn man bereits mit trockenem Hals im idyllischen Hof bei Falkenstein steht, findet sich außer einer großen Falken-Figur kein Hinweis auf eine „Tankstelle“.  Aber dann taucht irgendwann wie Phönix aus der Asche Erich Weber auf. Der verschmitzte Winzer konnte das Hofgut, das zuvor zum Weingut Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier gehörte, 1985 erwerben. Seither hat der Individualist das in herrlicher Hanglage liegende Ensemble vor dem weiteren Verfall bewahrt und liebevoll restauriert.

 

Bereits 1994 stellte die Fachzeitschrift VINUM den Geisenheim-Absolventen Erich Weber als einzigen Bio-Winzer an der Saar vor. Dabei käme es dem eigenwilligen Erich nie in den Sinn, seine Weine mit einem Öko-Label zu vermarkten. Bei der Vermarktung sind wir schon bei seinem größten Problem: Nach einer Verkostung im August 2016 wollten wir bei Erich unsere Bestellung aufgeben. Erst nach einigem Zögern rückte Erich Weber noch einige Kartons Wein heraus und meinte: „Das ist der Rest, den ich euch aus dem Jahrgang 2015 anbieten kann. Teilt es unter euch auf. Eigentlich ist schon alles verkauft.“ Beim nächsten Besuch im März 2017 ist der aktuelle Jahrgang 2016, der überwiegend noch im Fass reift, auch schon komplett für Kunden vorreserviert. „Gestern hat ein Amerikaner bereits Riesling vom Jahrgang 2017 bestellt, damit er sein Kontingent sicher bekommt“, beschreibt Weber sein Luxusproblem.

 

Das Hofgut Falkenstein exportiert einen hohen Anteil seiner Rieslinge weltweit. Inzwischen ist auch Erichs Sohn Johannes, ebenfalls Geisenheim-Absolvent, in den Betrieb eingestiegen. Erich und Johannes Weber jetten öfters auf Einladung ihres Exporteurs in die USA, um ihre rassigen Rieslinge zahlungskräftigen Amerikanern vorzustellen. Die neue Homepage lässt Erich Weber übrigens auch vom Exporteur bestücken (natürlich auf Englisch). „Wenn im November der Gault Millau herauskommt, nehme ich das Telefon gar nicht mehr ab, weil es nichts mehr zu verkaufen gibt“, bedauert der Winzer.

 

Die Zeiten an der Saar waren nicht immer so golden. Bis in die 1980er Jahre erreichten Saar-Rieslinge nur in drei von zehn Jahren eine vollständige Reife. Dieses Problem hat sich durch den Klimawandel weitgehend erledigt. Es gibt kaum noch schwache Jahrgänge an Mosel und Saar. Später schadete der Glykol-Skandal dem Image des Anbaugebiets. Erst in den letzten Jahren ist durch den Einstieg des Fernsehmoderators Günter Jauch beim Weingut Othegraven und des Brauerei-Erben Roman Niewodniczanski beim Traditionsgut van Volxem ein richtiger Saar-Hype entstanden. Und Erich Weber freut sich diebisch, wenn seine Weine mit den teuren Spitzengewächsen dieser „Big Player“ mithalten können. „Wenn es meine Zeit erlaubt, laufe ich meinen privaten Halbmarathon durch die Weinberge“, erzählt der heute 62jährige Aktivist. „Unterwegs probiere ich manchmal Trauben von Egon Müller, der Riesling-Ikone in Wiltingen. Im direkten Vergleich bin ich dann mit meinen Trauben zufrieden.“ So sieht das auch der Gault Millau 2017. In seiner TOP 10-Liste der süßen 2015er Riesling-Spätlesen sieht der Weinführer den Scharzhofberger von Egon Müller und den Krettnacher Euchariusberg vom Hofgut Falkenstein mit jeweils 95 Punkten auf Augenhöhe. Ein kleiner Unterschied besteht allerdings im Preis pro Flasche: 120 Euro (Egon Müller) und 12 Euro (Hofgut Falkenstein).

 

Das Hofgut Falkenstein hat zu 90 Prozent Riesling im Angebot. Die herausragenden Lagen Niedermenniger Sonnenberg und Herrenberg sowie der Krettnacher Euchariusberg ermöglichen unnachahmlich rassige und vibrierende Rieslinge. Die kräftige Säure wird dabei einzigartig durch die Süße aufgefangen. So entstehen wunderbar präzise und geschliffene Rieslinge, wie sie weltweit nur an der Saar wachsen können. Erich Weber baut seine Weine - wie sein Kollege Hanno Zilliken - im historischen Keller in alten Holzfässern aus. Dabei wird jedes Fass – wie bei Florian Lauer – individuell ausgebaut, so dass mehrere Rieslinge derselben Qualitätsstufe und Lage gesondert abgefüllt werden. Im Keller tragen die Fässer eigene Namen, die auf der Flasche nur an unterschiedlichen AP-Nummern zu unterscheiden sind. Beispiele für interne Fassbezeichnungen sind das Fass Nepal (höchste Lage des Betriebs), das Fass Eiger (steilste Lage des Betriebs) oder das Fass Muni (Abkürzung von „Munition“ für Flächen, die von einem heute 94jährigen Stalingrad-Veteranen erworben werden konnten).

 

Die Rieslinge haben bei vollem Extrakt nur sehr wenig Alkohol. „Ich produziere Rieslinge für Präzisions-Trinker“, scherzt Erich Weber. „Meine Rieslinge kann man von morgens bis abends trinken und hat immer ein gleichbleibend niedriges Level. Und das verbreitet ansteckende Fröhlichkeit“. Die sensationelle Riesling-Phalanx gliedert sich in drei Segmente:

 

-          Trockene Rieslinge

 

Die trockenen Weine bilden den Einstieg in die Riesling-Wunderwelt des Hofguts Falkenstein. Bereits hier wird die unnachahmliche Stilistik des Weinguts mit moderatem Alkohol, rassigem Säurenerv und fruchtiger Verspieltheit deutlich. Schon die Fassproben des Jahrgangs 2016 sind ein Genuss. Neues Aushängeschild im trockenen Segment könnte ein auf dem seltenen grünen Diabas-Schiefer gewachsener Riesling aus einer neu erworbenen Parzelle mit alten Reben werden. Zu der bereits bekannten Verspieltheit und glockenklaren Struktur kommt bei diesem Wein noch eine schmelzige Cremigkeit hinzu. Wer von diesem Wein ein Fläschchen erwerben kann, sollte sich glücklich schätzen.

 

-          Feinherbe Rieslinge

 

Die feinherben Rieslinge des Hofguts Falkenstein sind filigrane Klassiker. Der Jahrgang 2015 mit optimalen Reifebedingungen im Herbst ließ wundervolle Unikate mit gewaltiger Aromenfülle und stimmiger Harmonie entstehen. Getragen von stattlichen Säurewerten von über 10 Gramm zauberten Erich Weber und sein Sohn Johannes reihenweise Traumrieslinge aus den Lagen Niedermenniger Sonnenberg und Herrenberg in die Flaschen. Der individuelle Ausbau der Teillagen in einzelnen Fässern kommt hier voll zum Tragen. So zeigt zum Beispiel die blassgelbe 2015er Spätlese Sonnenberg (Fass 7) in der Nase Apfel- und Pfirsichnoten. Im Mund ausgewogenes Frucht-/Säurespiel. Animierende Fruchtaromen nach reifem Apfel, frischer Mandarine und saftigem Pfirsich kleiden den gesamten Mundraum aus. Spannungsgeladene Rasse und wunderbare Harmonie hallen ewig nach. Saar-Riesling in Reinkultur.

 

-          Süße Rieslinge

 

Im Krettnacher Euchariusberg wachsen die besten edelsüßen Rieslinge des Hofguts Falkenstein. Es ist unglaublich, mit welch zarter Verspieltheit hier bereits Kabinettweine eine elektrisierende Komplexität und hohe Extraktdichte entwickeln. Der 2016er mit dichten Apfel-Noten ist bereits wenige Tage nach der Flaschenfüllung trinkfertig und in perfekter Harmonie. Vitale Leichtigkeit und filigrane Finesse lassen einem den Atem stocken. Die vibrierende Säure lässt vergessen, dass hier bereits Restzuckerwerte von 70 Gramm im Glas sind. Der Wein tanzt auf der Zunge, wie ein ausgelassener Salsa-Tänzer mit seiner Traumfrau. Mit jeder Qualitätsstufe steigert sich das Trinkvergnügen im süßen Segment über verschiedene Spätlesen bis zur Auslese. Der Jahrgang 2015 lieferte eine ganze Serie außergewöhnlicher Spitzenrieslinge. Der Kabinett und zwei Spätlesen des Hofguts Falkenstein erreichten Top 10-Platzierungen im Gault Millau.

 

Jetzt haben wir aber genug geschwärmt. Vielleicht ergattern sie ja ein Fläschchen Falkenstein im Fachhandel. Oder sie fahren trotz angespannter Angebotssituation bei Erich Weber vorbei. Irgendeinen Karton treibt er in den Tiefen seines Kellers vielleicht noch auf. Dann bekommt unser Amerikaner eben auch 2017 wieder ein paar Flaschen weniger als geordert. Und zur Not gibt es ja in der Nachbarschaft noch Othegraven und van Volxem.

 

Kontaktdaten

Hofgut Falkenstein

Falkensteinhof 1

54329 Konz-Niedermennig

Tel.: 06501/6255

Mail: info@hofgutfalkenstein.com

Internet: www.hofgutfalkenstein.com

 

Weingutportrait von Manfred Beismann, März 2017