Weingut Matthias Müller, Spay (Mittelrhein)

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Schon die Anfahrt zum Weingut Matthias Müller mit der Bahn ist ein Erlebnis für die Sinne. Ab Bingen ziehen auf der gegenüberliegenden Rheinseite Rüdesheim und das Niederwalddenkmal, Assmannshausen mit spektakulären Rebhängen, später die Loreley und das UNESCO-Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal vorüber. Wenn dann am Horizont die große Rheinschleife des Bopparder Hamms ins Blickfeld kommt, hat man es fast geschafft. Wenige Minuten später steigen in Spay kaum Rheintouristen aus. Weinkenner wissen aber, dass Spay die Weinhauptstadt am Mittelrhein ist. Dies liegt primär am Weingut Matthias Müller.

Die Fahrt entlang des Rheins lässt erkennen, dass Weinbau in den Steilhängen des nur 469 Hektar großen Anbaugebiets Mittelrhein ein mühevolles Unterfangen ist. Überall fallen aufgegebene und verbuschte Flächen auf. Und wenn Experten das eher moderate Preisniveau der Weine daneben stellen, können sie nachvollziehen, dass viele Winzer ihre Weinberge hier aufgeben. Aber der Betrachter sieht durchaus auch zahlreiche Neuanlagen. Wer die individuellen Rieslinge vom Mittelrhein - und vor allem die von Matthias Müller - verkostet, kann diese Anpflanzungen nur begrüßen.

Im Familienweingut Matthias Müller ist die Betriebsfläche seit den 1990er Jahren von vier auf 17 Hektar gewachsen. Und die junge Generation steht schon in den Startlöchern. Deshalb hat Matthias Müller kräftig in sein Weingut investiert und eine ultramoderne Vinothek in Spay erstellt. Der architektonische Kontrapunkt zur umliegenden Fachwerkidylle hat sich nicht nur bei der Jahrespräsentation des Jahrgangs 2015 bewährt.

Matthias Müller baut neben einigen Burgundersorten zu fast 90 % Riesling an. Die Weinberge liegen zu großen Teil in der Schiefersteillage Bopparder Hamm mit den Einzellagen Feyerlay, Ohlenberg, Engelstein und Mandelstein. Nach dem schwierigen Jahrgang 2014, in dem Matthias Müller bewusst auf Spitzenprädikate verzichtet hat, gibt es 2015 wieder die gesamte Palette an über 20 trockenen, feinherben und süßen Rieslingen. Wie an einer Perlenkette zieht sich das Sortiment des VDP-Weinguts durch die wundervolle Vinothek:

-          Das trockene Segment beginnt mit einem Paukenschlag: Der süffige Rheinschiefer besitzt für einen Gutswein ein extrem hohes Niveau. Luxus zum Sozialtarif. Schiefernoten und stimmiges Frucht-/Säurespiel in gelungenem Gleichgewicht. Die „Alten Reben“ vom Ohlenberg überzeugen mit einer feinen Aprikosennote und stilsicherer Eleganz.

 

-          In der S-Klasse der trockenen Rieslinge zeigt der Mandelstein mit seinen Schieferverwitterungsböden wie gewohnt zarten Schmelz und voluminöse Dichte. Eine zarte Aprikosennote prägt diesen animierenden Riesling. Die absolute  Kaufempfehlung der Gesamtkollektion schlechthin ist 2015 der Riesling „Steilstück“. Eine rassige Säurestruktur geht eine perfekte Symbiose mit Fruchtnoten nach Aprikosen und leicht Grapefruit ein. Vibrierender Riesling der Spitzenklasse, der auf der Zunge tanzt. Der Ohlenberg S verfügt über eine kräftige Pfirsichnase. Viel Schmelz und die feinfruchtige Rasse ergeben einen harmonischen Riesling. Eine weitere Steigerung bringt der Ohlenberg „Edition MM“ mit seiner ausgeprägten Schiefermineralität und enormen Konzentration. Das Große Gewächs darf Matthias Müller nach den VDP-Regularien erst im September verkaufen und fehlt derzeit noch im Angebot.

 

 

-          Eine große Stärke im Weingut Müller sind die feinherben Rieslinge. Auch in diesem Segment präsentiert der Starwinzer mit dem „Rheinquarzit“ wieder einen ungemein süffigen Einstiegswein, den man sich in den Keller legen sollte. Die süße Verführung für laue Sommernächte.  Weitere feinherbe Highlights sind die „Alten Reben“ aus dem Feyerlay mit viel Substanz. Der Schloss Fürstenberg spielt noch eine Klasse höher. Der auf Lösslehm gewachsene Riesling schwebt mit Noten nach gelben Früchten und weißem Flieder wie ein Schmetterling fast schwerelos im Raum. Die feinherbe „Edition MM“ aus dem Mandelstein verfügt über noch mehr Konzentration, enorme Stoffigkeit und Komplexität.

 

-          Bei den fruchtigen und edelsüßen Rieslingen steigt man langsam die Prädikatsstufen nach oben. Die „Edition MM“ aus dem Feyerlay zeigt lebendige Fruchtnoten nach Pfirsich und Aprikose. Einen weiteren Qualitätssprung bringt die süße Auslese aus dem Feyerlay mit feinen Mango-Noten.

 

-          Einen Tisch weiter ist schwer zu entscheiden, wer mehr strahlt: Marianne Müller oder ihre edelsüßen Schätze. Zu Beginn eine 2013er Beerenauslese aus dem Mandelstein. Ein stoffiges Konzentrat mit schönen Mandarinen-Noten, ewiger Länge und einem Kick Säure. Um den nächsten Wein mussten die Müllers lange zittern, aber eine kalte Nacht ermöglichte doch noch die Ernte eines 2015er Eisweins. Ein dickflüssiges Konzentrat mit unheimlicher Süße und einem vielschichtigen Aromenstrauß. Zum Abschluss das absolute Highlight einer großartigen Kollektion: Die 2015er Trockenbeerenauslese aus dem Feyerlay. Eine unbeschreibliche Aromendichte und umwerfende Fülle mit 258 Gramm Restzucker. Ohne Worte: Genuss pur.

Am Ende der fulminanten Verkostungskette sieht der Genießer vor dem Tresen zahlreiche Weinfreunde mit glücklichen Gesichtern. Hinter dem Tresen steht Matthias Müller in der Gewissheit, seinen Gästen mit dem Jahrgang 2015 ein beeindruckendes Weinerlebnis geboten zu haben. Der bescheidene Winzer nimmt die Gratulationen und vor allem umfangreiche Weinbestellungen der zufriedenen Kundschaft entgegen.  

Die Qualität der Müller-Rieslinge ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Der Gault Millau kürte Matthias Müller 1998 zur „Neuentdeckung des Jahres“. Die harte Arbeit in den Folgejahren hat der Weinführer 2012 mit der Auszeichnung zum „Winzer des Jahres“ honoriert. Matthias Müller steht heute an der Spitze des Anbaugebiets Mittelrhein und gehört bundesweit zu den Riesling-Ikonen Deutschlands. Dabei sind dem bescheidenen Winzer Staralluren völlig fremd. Die Auszeichnungen scheinen für ihn eher Ansporn zu sein, das Qualitätsstreben weiter zu intensivieren. Der Perfektion ist Matthias Müller mit dem Jahrgang 2015 wieder ein Stück näher gekommen. Eine ungemein spannende, abwechslungsreiche Phalanx individuell ausgebauter Rieslinge,  egal ob trocken, feinherb oder süß. Bereits die kleinen trockenen und feinherben Gutsrieslinge sind großes Kino. Und die edelsüße Spitze mit der Trockenbeerenauslese braucht bundesweit keinen Vergleich zu scheuen.

Wer diese Kollektion probiert hat, war nicht zum letzten Mal bei Matthias Müller. Vielleicht gibt es beim nächsten Besuch ja auch das Große Gewächs.

 

Kontaktdaten

Weingut Matthias Müller

Mainzer Str. 45

56322 Spay

Tel.: 02628/8741

Mail: info@weingut-matthiasmueller.de

Internet: www.weingut-matthiasmueller.de

 

Weingutportrait von Manfred Beismann, Mai 2016