Weingut Zorn, Kraichtal-Neuenbürg (Baden)

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Ein ganz gewöhnlicher Herbstabend an einem trüben Werktag im beschaulichen Kraichgau. In der Neuenbürger Besenwirtschaft Guggugsnescht ist eine internationale Studentengruppe der Universität Heidelberg eingetroffen. Nach einem zünftigen Besenessen mit Grumbiraworscht, Bibbeleskäs und ausreichend Wein vom „hauseigenen“ Weingut Zorn greifen die Besenwirte Bettina und Fritz Zorn zu ihren Instrumenten. Sie stimmen das legendäre „Neiberger Lied“ und die badische Nationalhymne, das „Badnerlied“,  an. Sie werden dabei lautstark von den anwesenden Stammgästen aus dem Kraichgau unterstützt. Dies ruft eine amerikanische Studentin auf den Plan, die spontan zur Gitarre greift und amerikanische Folksongs spielt. Die vorwiegend asiatischen und amerikanischen Studenten, aber auch die badischen Stammgäste singen fröhlich mit. Es entsteht ein musikalisches Wechselspiel, an dessen Ende Studenten und Stammgäste in einer ausgelassenen Polonäse wild gestikulierend durch den Gastraum hüpfen. Die etwas weniger trinkfesten asiatischen Studenten reißen die an die Wände drapierten Instrumente an sich und entlocken diesen bisher im Kraichgau noch nie gehörte Töne. Beim Abschied liegen sich ergraute Stammgäste und bezaubernde amerikanische Studentinnen ermattet in den Armen.  Mancher Neuenbürger Silver-Ager soll noch heute von den kalifornischen Schönheiten träumen.

Fritz Zorn hat in seiner Besenwirtschaft nicht nur Studenten, sondern auch russische Manager bewirtet. Bei nüchterner Betrachtung hat das Neuenbürger Guggugsnescht damit wahrscheinlich mehr zur Völkerverständigung in der Welt beigetragen als manche UNO-Vollversammlung in New York.

Das Guggugsnescht besteht seit über 30 Jahren. In der Anfangszeit schenkte der Autodidakt Fritz Zorn zu seinen regionaltypischen kulinarischen Köstlichkeiten selbst produzierten Fasswein aus. 1999 gründete dann sein ältester Sohn Benedikt (Beni) das Weingut Zorn. Inzwischen ist auch der jüngere Sohn Johannes (Joe) in den Betrieb eingestiegen. Die Weinqualität ist seither stetig gestiegen, so dass sich auch verwöhnte Weinliebhaber mit dem 4,5 Hektar großen Betrieb näher beschäftigen sollten.

Der bescheidene, selbstkritische Beni Zorn experimentierte in den ersten Jahren mit verschiedenen Rebsorten und Ausbauformen. Dabei setzte er intuitiv auf das richtige Pferd:

Der Kraichgau hat eine sehr heterogene Rebsortenstruktur. Im kaum noch zu überblickenden Weinmarkt wird es zunehmend schwerer, als Region oder einzelnes Weingut Akzente zu setzen. Als Kraichgau-Spezialität kristallisierte sich in den letzten Jahren der Auxerrois heraus. Die aus Frankreich stammende Kreuzung aus Pinot und Heunisch ist sowohl von den geologischen Verhältnissen, als auch als idealer Speisenbegleiter für Spargelgerichte für den Kraichgau prädestiniert. Die Nachfrage nach der milden und säurearmen Pinot-Variante ist hoch. Der größte Spargelmarkt Europas im benachbarten Bruchsal will mit passenden Spargel-Weinen bedient werden.

Auxerrois ist für die meisten Winzer eher ein Nischenprodukt. Das Weingut Zorn dürfte das einzige Weingut in Deutschland sein, das in seiner Weinkarte sechs aktuelle Auxerrois-Varianten anbieten kann. Der Auxerrois-Sekt ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt. „Wir wollen in den nächsten Jahren die Profile unserer Auxerrois-Varianten noch stärker ausdifferenzieren“, beschreibt Beni Zorn die Aufgabe für die Zukunft.

Bei den Rotweinen ist im Hause Zorn der Spätburgunder die wichtigste Rebsorte. Dies ist in Baden - anders als beim Auxerrois - natürlich kein Alleinstellungsmerkmal. Nach dem Weingut Zorn sucht man in den einschlägigen Weinführern (noch) vergebens. Dies liegt nicht an der - mit Sicherheit vorhandenen - Weinqualität, sondern schlicht daran, dass die Gebrüder Zorn ihre Weine dort noch nicht angestellt haben. Dass es dafür höchste Zeit wird, zeigte die Premieren-Veranstaltung der Weiße Burgunder Charta, einer 2015 gegründeten Winzervereinigung aus 15 Betrieben der Badischen Bergstraße und des Kraichgaus. Die Charta-Weingüter sind zum größten Teil in den Weinführern  Eichelmann und Gault Millau gelistet. Das Weingut Zorn kann mit seinen Charta-Kollegen qualitativ gut mithalten. Die aktuelle Kollektion wird natürlich wieder vom Auxerrois dominiert:

-          Der 2014er Basis-Auxerrois „Kraich“ ist ein trockener Kabinett-Wein im besten Sinne. Ein unkomplizierter, frischer Trinkgenuss gerade an heißen Tagen. Als Neuling im Sortiment zeigt sich der „Kraich“ druckvoll und trinkanimierend. Dagegen findet man den Auxerrois „Kreativ“ schon einige Jahre auf der Weinliste. Der im Holz ausgebaute 2014er „Kreativ“ ist deutlich dichter mit floralen Noten und feiner Würze. Mit seiner bodengeprägten, erdigen Mineralität und der feinfruchtigen Komplexität nach gelbem Steinobst eignet er sich wunderbar als Speisenbegleiter zu hellem Fleisch.

 

-          Das absolute Highlight der aktuellen Kollektion ist der neue Auxerrois „Spontangärung“, der weiche Aromen mit ausgelassener Lebendigkeit vereint. Dicht gewobene Eleganz mit vielschichtigen Aromen nach Flieder, Aprikose, Kokos und Karamellbonbons gepaart mit dem strukturgebenden Holzeinsatz und der von der Spontangärung stammenden Frische ergeben eine rundum stimmige Gesamtkomposition. Ein Wein wie eine erfrischende Sommerbrise, die kühl über die fruchtbaren Kraichgau-Hügel weht. Wer die „Spontangärung“ noch nicht im Keller hat, sollte schnell nach Neuenbürg fahren.

 

-          Die hochwertigen Auxerrois-Varianten aus 2013 sind der „Goldrand“ und die „Maischegärung“: Der im Barrique ausgebaute Auxerrois „Goldrand“ vom Neuenbürger Silberberg funkelt goldgelb im Glas und zeigt in der Nase typische Mandelnoten mit floralen Anklängen. Der gut strukturierte Auxerrois ist moderat im Alkohol und mit seiner jahrgangsbedingt etwas höheren Säure recht kippfreudig. Der Wein wirkt trotz feinwürzigem Holzeinsatz sehr schlank. Der „Goldrand“ löst  wie viele Auxerrois Assoziationen nach Frühling aus. Mit der 2014er „Maischegärung“ präsentiert das Weingut Zorn sein derzeitiges Auxerrois-Flaggschiff. Der voluminöse Auxerrois zeigt in der Nase starke Flieder- und Hyazinthen-Noten. Im Mund spürt man die Holznoten des Barriqueausbaus noch recht deutlich. Zu den  floralen Noten gesellen sich Aromen nach Mandeln, Kokos und Mirabellen. Ein kräftiger Burgunder mit einer präsenten Aromenfülle, der noch Entwicklungspotenzial erwarten lässt. Der 2013er kommt qualitativ dem bislang besten Zorn-Auxerrois Barrique aus dem Jahrgang 2009 nahe, der sich in Degustationen des Vereins für Weinkultur mehrfach gegen namhafte Konkurrenz durchsetzen konnte.

 

-          Bei den anderen Weißweinen ist das jüngste Produkt des Weinguts Zorn, die Charta-Cuvée, hervorzuheben. Der aus Auxerrois, Grauburgunder und Blanc de Noir komponierte Wein wirkt frisch und lässt  den Weinfreund unwillkürlich an eine Blumenwiese denken. Der Auxerrois verleiht Zartheit, der stoffige Grauburgunder bringt Kraft. Der Blanc de Noir fügt der Cuvée nussige Nuancen und eine angenehme Restsüße hinzu. Ein fröhlicher, süffiger Trinkwein.

 

-          Beim Spätburgunder sind im Weingut Zorn noch deutliche Jahrgangsunterschiede festzustellen. Der bisher beste Spätburgunder des Weinguts war der „Barrique“ aus dem Jahrgang 2009. Herrlich viel Frucht und gut eingebundenes Holz verbinden sich zu einem absoluten Top-Wein. Der aktuelle Spätburgunder „Holzfass“ vom Neuenbürger Silberberg zeigt im Mund Noten nach Vanille und Nelke. Die präsente Säure sowie geschmeidige Himbeer- und  Erdbeeraromen ergeben ein stimmiges Geschmacksbild.

 

-          Neben Wein hat das Weingut Zorn auch respektablen Sekt im Angebot. Kerngesunde Spätburgunder-Trauben bilden den Grundwein für den weiß gekelterten „Pinot Noir Sekt extra brut“ aus 2013. Der goldgelbe Schäumer zeigt sich prickelnd und elegant. Die feine Perlage steigt in langen Ketten nach oben. Im Mund gibt der Burgunder-Sekt Noten nach Blüten, Heu, Küchenkräutern und hefigem Gebäck frei. Im Gaumen spürt man eine anregende Cremigkeit, die in einem delikaten Finale endet.

Parallel zur stetig verbesserten Weinqualität im Weingut hat das Guggugsnescht auch sein Jahresprogramm kontinuierlich ausgebaut. Zwar stehen weiter der Frühjahrs- und der Herbst-Besen im Mittelpunkt des Angebots. Das Guggugsnescht veranstaltet aber auch verschiedene Musikevents, z. B. im Rahmen der Internationalen Kraichtaler Jazztage. Auch außerhalb von Neuenbürg mischt das Weingut Zorn in der aufstrebenden Wein-Region mit: So sind die Gebrüder Zorn im Herbst bei „wine goes party“  der Weiße-Burgunder-Charta im Weingut Heitlinger dabei.

Weine des Weinguts Zorn werden inzwischen nicht nur im Kraichgau verkauft. Auch Berliner und Karlsruher Szenekneipen und Weinbars haben die guten Tropfen auf ihrer Karte. Und wer weiß: Vielleicht war der graue Herbsttag mit der Heidelberger Studentengruppe der Startschuss für einen Auxerrois-Export nach Amerika und Asien. Der Auxerrois könnte ja bei der nächsten UNO-Vollversammlung in New York  ausgeschenkt werden. Der Völkerverständigung würde es dienen.

 

Kontaktdaten

Weingut Zorn

Professor-Hubbuch-Str. 21

76703 Kraichtal-Neuenbürg

Tel.: 07259/1656

Mail: info@weingut-zorn.de

Internet: www.weingut-zorn.de

 

Weingutportrait von Manfred Beismann, August 2015