Silvaner-Geheimtipp im Main-Dreieck: Himmelstoss in Dettelbach (Juni 2020)

 

Der weinaffine Individualtourist sucht nach Monaten im Corona-Shutdown sehnsüchtig nach einem Tapetenwechsel mit einer ruhigen Unterkunft, gutem Essen und edlen Weinen. Fündig wird er im fränkischen Dettelbach im Himmelstoss. In dem aufwändig restaurierten Fachwerkhaus erwartet den Weinliebhaber ein hervorragendes Restaurant, fünf modern gestaltete Übernachtungszimmer und die Vinothek des VDP-Weinguts Glaser-Himmelstoss. Glanzstück des in einer ruhigen Altstadtgasse gelegenen Ensembles ist der von bis zu 70 Jahren alten Rebstöcken beschattete Innenhof. Hier präsentiert Roman Krückel in der warmen Jahreszeit nicht nur ein abwechslungsreiches Frühstück, sondern auch die ausgezeichnete Küche seines Restaurants. Das Restaurant verwendet ausschließlich hochwertige Produkte aus der Region. Die gut bestückte Weinkarte wird natürlich vom hauseigenen Weingut Glaser-Himmelstoss dominiert. Damit kommen wir zum Wein und das heißt in Franken primär zum Silvaner:

 

Der rechte Gebäudeteil beherbergt die schöne Vinothek des VDP-Weinguts Glaser-Himmelstoss. Das 14 Hektar große Weingut entstand durch Heirat von Monika Himmelstoss (Dettelbach) und Wolfgang Glaser (Nordheim). Während der Sitz des Weinguts in Nordheim vereinigt wurde, hat die Familie das stattliche Anwesen in Dettelbach zum Restaurant, kleinen Hotel und einer Vinothek umgebaut. Auch die quirlige Junior-Chefin und Geisenheim-Absolventin Julia Glaser wohnt in dem verträumten Ensemble. Im lauschigen, weinberankten Innenhof erfüllt die Schwester der Senior-Chefin den Weinfreunden sämtliche Weinwünsche aus dem Sortiment des fränkischen Spitzenbetriebs. An erster Stelle sind die Silvaner aus Dettelbach zu nennen. Der 2019er Dettelbacher Ortswein wird vom Muschelkalk geprägt. Der Silvaner besticht durch gelbfruchtige Aromen und salzige Mineralität; er verfügt über eine lebendige Frische. Vorzeigesilvaner bei Glaser-Himmelstoss ist aktuell der 2019er Dettelbacher Berg-Rondell. Er spielt an der fränkischen Spitze mit. Kräutrige Silvaner-Mineralität, vielschichtige und feinfruchtige Aromen, Feuerstein und ein langer Nachhall prägen das Spitzengewächs des Hauses. Glaser-Himmelstoss hat neben Silvaner auch überzeugende Rieslinge und Burgunder im Angebot. Aus 2018 sind besonders der würzige Riesling Dettelbacher Berg-Rondell mit feinen Aprikosen- und Limetten-Noten und der florale Nordheimer Weißburgunder mit zarten Fruchtaromen zu erwähnen. Dass Silvaner auch ausgezeichnet reifen können, stellt Roman Krückel mit einem 2006er Berg-Rondell von Glaser-Himmelstoss zum abendlichen 5-Gänge-Menu unter Beweis. Fein gereifte Aromen nach Dörrobst und Mirabelle vor dem Hintergrund typischer vegetabiler Silvaner-Noten bieten einen absoluten Hochgenuss und eine ganz neue Silvaner-Erfahrung.

 

Die Altstadt von Dettelbach hat sich ihren besonderen Charakter bewahrt. Die historische Stadtmauer mit originell überbauten Türmen und die Wallfahrtskirche Maria im Sand sind sehenswerte Objekte. Der Stadtkern ist touristisch noch nicht überlaufen. Die gepflasterten Altstadtgassen versprühen mit schmuck renovierten, aber auch einigen leerstehenden Gebäuden einen leicht morbiden Charme.

 

Wer zur Abwechslung etwas Großstadt-Feeling sucht, findet diese im nahe gelegenen Würzburg. Die Main-Metropole punktet mit der barocken Residenz und dem dazugehörigen Hofgarten, dem Dom, der Alten Main-Brücke mit Blick auf die Marienfestung. Silvaner-Freunde kommen an den Vinotheken der „großen Drei“ (Bürgerspital, Juliusspital und Hofkeller) natürlich nicht vorbei. Dort finden sie ein reichhaltiges Portfolio, nicht nur aus dem berühmten Würzburger Stein, sondern auch aus originellen Lagen wie dem Rödelseer Küchenmeister.

 

Kirchengeschichtlich Interessierte sollten die nicht unweit von Dettelbach gelegene Benediktiner-Abtei Münsterschwarzach besichtigen. Dort findet sich neben der mächtigen Abtei auch ein bestens bestückter Fairtrade-Laden aus der weit verzweigten Missionsarbeit der Benediktiner. Unter den Mönchen wirkt der aus der Literatur und den Medien bekannte Anselm Grün.

 

Silvaner-Freunde zieht es in die nahegelegenen Weinorte am Main: - In der für Touristen herausgeputzten Altstadt von Volkach mit dem schönen Marktplatz befindet sich in der Hauptstraße das Weingut Max Müller I. Die moderne Vinothek hat hervorragende 2018er Silvaner im Programm, wie den maische-vergorenen Eigenart und den vielschichtigen Sommeracher Katzenkopf aus alten Reben. Die Weine des Weinguts können sie übrigens auch gemütlich in der Villa Sommerach auf der benachbarten Weininsel verkosten. Dort betreibt ein Sohn der Familie ein kleines Hotel und eine stilvoll ausgestattete Weinbar.

 

- Silvaner-Freunde besuchen im Main-Dreieck natürlich auch Escherndorf. Als Einstimmung auf den folgenden Weingenuss bietet sich eine Wanderung durch die Rebanlagen unterhalb der hochgelegenen Vogelsburg an. Dort hat man einen herrlichen Ausblick über die Main-Schleife, die Weininsel, auf Escherndorf und die Parade-Lage Escherndorfer Lump. Anschließend in Escherndorf angekommen, stellt sich die Frage: Sauer oder Sauer? Die Antwort lautet: Rainer Sauer und Horst Sauer. Die beiden Spitzenweingüter des VDP Franken liegen in der Bocksbeutelstraße direkt gegenüber und sollten beide besucht werden. Beide Weingüter haben sehenswerte, moderne Weinguts-Architektur zu bieten. Auch die Silvaner der Güter begegnen sich auf Augenhöhe und zwar dort, wo die Luft ganz dünn wird:

 

- Bei Horst Sauer empfehlen wir den teilweise im Holzfass ausgebauten 2018er Silvaner Sehnsucht mit reifer Komplexität, Röstnoten und feiner Frucht. Das Große Gewächs des Silvaners Am Lumpen 1655 stammt aus über 35 Jahren alten Reben. Er ist mit seiner saftigen Tiefe und Vielschichtigkeit sowie weißen und gelben Früchten einer der großen Silvaner Frankens. Diese Weine trugen dazu bei, Horst und seine Tochter Sandra Sauer zu Winzern des Jahres im Gault Millau zu küren.

 

- Bei Rainer Sauer erkennt man schon am tief gestaffelten Silvaner-Sortiment die Begeisterung für Frankens Leitsorte. Hier überzeugen nicht nur die absoluten Top-Silvaner. Bereits die Einstiegs-Qualitäten erreichen Top-Niveau bei vernünftigen Preisen. Der Escherndorfer Ortswein Muschelkalk aus 2019 bereitet mit seiner Mineralität und der gelben Frucht bereits viel Freude. Ein Highlight ist der 2018er Silvaner Freiraum. Die Trauben bleiben fünf Tage auf der Maische. Das Zusammenspiel der mineralischen Muschelkalkböden und der komplexen Fruchtaromen ist ganz großes Kino. Es entwickeln sich Aromen nach Melone, Ananas und Banane. Enorm kippfreudig.

 

Franken, Dettelbach und vor allem der Himmelstoss haben die Erwartungen an einen genussvollen Kurzurlaub mehr als erfüllt. Die, bei den genannten Weingütern eingekauften Silvaner werden diese Erinnerung sicher wachhalten.

Degustationsbeschreibung von Manfred Beismann, Juni 2020